Unternehmerischer Erfolg im Einklang mit sozialer Verantwortung und ökologischer Verträglichkeit – als landeseigene Wohnungsbaugesellschaft ist die GESOBAU gefordert, sowohl gegenüber Mensch als auch Natur verantwortungsvoll zu handeln. Wie gelingt das?
Franzen: Die biologische Vielfalt ist die Grundlage unserer Existenz. Die Natur zu schützen, ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Gleichzeitig wird in Berlin dringend neuer Wohnraum zu bezahlbaren Mieten benötigt, um die soziale Mischung in den Quartieren und damit lebendige Kieze zu erhalten. Dem allem gerecht zu werden, ist nicht möglich. Es ist ein ständiges Austarieren unterschiedlicher Pole, die es gilt, bestmöglich in Balance zu halten. Wenn beispielsweise Baumbestand aufgrund des Wohnungsneubaus gemindert werden muss, werden entsprechende Ausgleichspflanzungen vorgenommen. Darüber hinaus schaffen wir im Rahmen der Quartiersentwicklung neue Grünflächen oder erneuern vorhandene Außenanlagen, wir errichten Nachbarschaftsgärten oder insektenfreundliche Blühwiesen mitten in Wohnsiedlungen.
Wilkens: Ein schönes Beispiel, wie das aussehen kann, zeigt das Märkische Viertel. Dort haben wir von 2020 bis 2023 rund 30 Millionen Euro investiert, um lebenswerte und gleichzeitig umweltfreundlichere Außenbereiche zu schaffen. Dabei wurden Flächen entsiegelt, neue klimagerechte Grünanlagen, Blühwiesen, Spielplätze sowie Bewegungsangebote für alle Altersklassen angelegt. Für dieses Projekt haben wir den Sonderpreis in der Kategorie „Entwicklung“ beim Real Estate Social Impact Investing Award des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft erhalten. In ihrer Begründung würdigte die Jury die Wirkung auf Mensch und Umwelt – beides lässt sich demnach durchaus in Einklang bringen.
„Unsere Aufgabe als landeseigene Wohnungsbaugesellschaft geht darüber hinaus, bloßen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Uns treibt vor allem auch der soziale Gedanke. Wir wollen die Menschen einbeziehen, ihnen ein lebenswertes, nachhaltiges Wohnumfeld und eine gute Nachbarschaft, ein Zuhause bieten.“
Lebenswerte Quartiere zu schaffen, ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen mit immensen Schwierigkeiten verbunden. Wie meistert die GESOBAU das trotz allem?
Franzen: Unter den jetzt herrschenden Rahmenbedingungen ist es schwer, bezahlbaren neuen Wohnraum zu schaffen. Die immer noch spürbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg, der Klima- und der demografische Wandel, der Schwund der Artenvielfalt: All diese Entwicklungen stellen uns vor immense Herausforderungen. Dazu zählen Lieferengpässe, steigende Material- und Energiekosten, höhere Zinsen, lange Genehmigungsverfahren und der Arbeitskräftemangel. Diese Gemengelage zu managen ist nicht einfach. Neue Bauprojekte stellen wir deshalb genau auf den Prüfstand, um sie wirtschaftlich abbilden zu können.
Unseren Fokus – einen für Mensch und Natur gleichermaßen wertvollen Lebensraum zu schaffen – verlieren wir dabei nicht. Ganz bewusst setzen wir uns damit auseinander, wie wir verantwortungsvoll mit der Versiegelung von Flächen umgehen, wie wir unsere Grünflächen bewirtschaften und dabei ressourcensparend vorgehen. Ein Beispiel: Bei der Modernisierung unseres Bestands prüfen wir immer, ob es möglich ist, in die Höhe zu bauen und neuen Wohnraum durch Dachaufstockung zu gewinnen. In unserem Bauprojekt im Stiftsweg und der Wolfshagener Straße in Pankow haben wir das etwa in Holzhybridbauweise umgesetzt. Und um die Ressource Wasser zu sparen, setzen wir bei unseren Grünflächen verstärkt auf klimaresistente Pflanzen.
Wilkens: Trotz der vielen Herausforderungen stehen wir zu unserem Auftrag, bezahlbaren Wohnraum für Berlin zu schaffen, und haben im Berichtszeitraum viel erreicht: Insgesamt haben wir 1.864 neue Wohnungen errichtet. Weitere 562 Wohnungen haben wir durch Ankäufe erworben – auch damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zu einem sozialverträglichen Berliner Mietenmarkt. Darüber hinaus haben wir eine Klimastrategie erarbeitet und entwickeln aktuell eine Mobilitätsstrategie. Unser primäres Ziel ist es, unabhängig von fossilen Brennstoffen zu werden. Dafür stellen wir auf erneuerbare Energien und klimaschonendere Heizungssysteme um. Wo möglich, schließen wir die Gebäude ans Fernwärmenetz an. Falls das nicht geht, setzen wir auf Wärmepumpen. Zudem haben wir zahlreiche soziale Projekte umgesetzt, um für unsere Mieter*innen und die Menschen in dieser Stadt die Folgen der Corona-Pandemie und der Energiekrise abzumildern.
„Trotz der vielen Herausforderungen stehen wir zu unserem Auftrag, bezahlbaren Wohnraum für Berlin zu schaffen, und leisten einen wichtigen Beitrag zu einem sozialverträglichen Berliner Mietenmarkt. Darüber hinaus haben wir eine Klimastrategie erarbeitet und entwickeln aktuell eine Mobilitätsstrategie. Unser primäres Ziel ist es, unabhängig von fossilen Brennstoffen zu werden.“
Die GESOBAU bietet Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung. Wie gehen Sie damit um, dass ganz unterschiedliche Menschen bei Ihnen zu Hause sind, und was ist vor diesem Hintergrund besonders wichtig für Sie?
Franzen: Wir sind eine Vielfaltsgesellschaft. Das spiegelt sich auch in unseren Quartieren wider. Ich empfinde diese Diversität als Bereicherung. Und gleichzeitig liegt in ihr ein gewisses Konfliktpotenzial – sowohl auf operativer Ebene als auch soziokulturell. Denn so unterschiedlich unsere Mieter*innen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse und Werte. Unsere Aufgabe als landeseigene Wohnungsbaugesellschaft geht darüber hinaus, bloßen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Uns treibt vor allem auch der soziale Gedanke. Wir wollen die Menschen einbeziehen, ihnen ein lebenswertes, nachhaltiges Wohnumfeld und eine gute Nachbarschaft, ein Zuhause bieten. Dafür braucht es Meinungs- und Erfahrungsaustausch, beispielsweise in Form von Partizipation oder durch Mitbestimmung in Mieter*innengremien.
Wilkens: Hier leisten wir unseren Teil und engagieren uns für Begegnungen und ein Miteinander der Menschen in den Quartieren – geschlechts-, kultur- und generationsübergreifend. Es ist wichtig, dass alle gesehen und gehört werden. Deswegen ist es uns ein besonderes Anliegen, dass sich diese Vielfalt auch in unseren Mieter*innenbeiräten widerspiegelt. Das Gremium vertritt schließlich die Interessen der Mieter*innen gegenüber der GESOBAU. Nur so können verschiedene Perspektiven eingebracht werden und unsere Quartiere für alle lebenswert sein. Daher ist Teilhabe für uns ein wichtiges Ziel.
Bei all den genannten Krisen und Herausforderungen – schauen Sie noch positiv in die Zukunft?
Franzen: Das Wort Krise ist in der Tat zum Alltagsvokabular geworden. Dennoch, oder vielleicht sogar deshalb, wollen wir nicht die Ängste in den Mittelpunkt stellen. Das heißt nicht, dass es keine Herausforderungen gibt. Die gibt es und die müssen klar benannt werden. Wichtig ist, dass es vor allem keine Verantwortungskrise gibt. Jeder muss seinen Beitrag leisten – auch die GESOBAU. Eines unserer wichtigsten Ziele ist, deutlich vor dem Jahr 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu haben. Dieses Ziel treibt uns auch 2023 an. Um die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen, haben wir 2022 eine Klimastrategie verabschiedet, die derzeit vor allem aufgrund der zwischenzeitlichen gesetzlichen Änderungen aktualisiert wird. Sie hilft uns, einzelne Maßnahmen zu priorisieren und vorhandene Ressourcen hierfür zu mobilisieren.
Wilkens: Außerdem können Krisen immer auch Treiber fürs Umdenken und Bessermachen sein: Beispielsweise haben die Digitalisierung und die stärkere Verzahnung von Leben und Arbeit durch Corona einen Schub bekommen. Hier hat sich gezeigt, dass der Weg, den wir schon vor der Pandemie eingeschlagen haben, richtig war – sowohl innerhalb der GESOBAU als auch mit Ideen und Konzepten bei unseren Bauvorhaben. Für unser Coworking-Pilotprojekt „GESOWORX” wurden wir beispielsweise mit dem DW-Zukunftspreis der Immobilienwirtschaft 2022 ausgezeichnet. Auch der Plan, unseren Mitarbeitenden im Herbst 2019 nach dem Umzug in unsere neue Hauptverwaltung flexibleres und mobiles Arbeiten zu ermöglichen, bestand schon. Im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensführung haben wir nach innen wirkend zudem unser bestehendes Compliance-Handbuch um einen Code of Conduct ergänzt. Denn nur mit werteorientiertem Handeln schaffen wir es als Unternehmen, zukunftsfähig und langfristig erfolgreich zu sein.
Franzen: Klar ist, dass wir uns grundsätzlich in einem Spannungsfeld bewegen: Es geht nicht nur um mehr Wohnraum. Oder nur um Klimaschutz. Oder nur um soziale Gerechtigkeit. Es geht darum, alles in Einklang zu bringen, und das geht nicht ohne Kompromisse. Dass wir trotz der Herausforderungen in allen Bereichen so viel erreicht haben, ist der Verdienst unserer Mitarbeitenden. Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle ganz besonders danken. Es hört sich wie eine Floskel an, aber es stimmt: Ohne sie ginge es nicht. Unsere Mitarbeitenden sind die treibende Kraft hinter allem. Mit ihren Fähigkeiten, Ideen und ihrem Engagement, das sie individuell oder in Arbeitsgruppen einbringen, gestalten sie die GESOBAU – und ein Stück weit auch Berlin.